Danny, 14, der lieber nach dem biblischen David benannt worden wäre, wächst in einem Wohnblock in einem heruntergekommenen Stadtteil auf. Seine Eltern kümmern sich wenig um ihn. Aus schlechtem
Gewissen erlauben sie ihm die Haltung eines Papageis. Dieser verschwindet beim wöchentlichen Käfigputz und findet sich erst nach längerer Suche in den Fängen Rockys, des Hundes der Nachbarin,
Frau Mint, an. Kurzerhand erschlägt Danny diesen mit einem schweren Blumentopf und muss sich dann um seine Entsorgung kümmern. Hierbei wird er von Hubert, Frau Mints Bruder, der gerade bei ihr
eingezogen ist, beobachtet, wie sich später herausstellt, doch er verrät ihn nicht. Durch diesen Vorfall kommt der Ball ins Rollen.
Am nächsten Tag folgt Danny Hubert aus purer Neugier bis in die Kirche. Dort stiehlt er kurzerhand das Geld aus dem Körbchen bei den Gedenkkerzen, um sich davon im Café nebenan was zu trinken
kaufen zu können. Doch das Geld reicht nicht, darum erfindet er einen Opa, der noch im Gottesdienst sei und erschleicht sich auf diese Weise ein großzügiges Frühstück. Wissend, dass in kein Opa
auslösen wird, prellt er die Zeche.
Wann immer Danny kein Zeitvertreib einfällt, besucht er seinen Freund Nico, dessen Eltern eine Zoohandlung haben, dabei hofft er, einen Blick auf Nicos Mutter erhaschen zu können, die ihm gut
gefällt und immer besonders nett zu ihm ist. Eines Samstags kommt er gerade rechtzeitig, um an einem der „Männerabende“ von Nico und seinem Vater teilzunehmen, und erfährt so, dass die Beziehung
zu einem Vater auch ganz anders, viel liebevoller aussehen kann als bei ihm zu Hause. Er verachtet seinen Vater, weil dieser, wie Danny findet, völlig unter der Fuchtel seiner faulen, kapriziösen
Mutter steht. Außerdem hätte er gerne Geschwister, doch der Versuch, die Pille seiner Mutter zu verstecken, wird von dieser nicht gut aufgenommen. Dabei hätte Danny am liebsten sieben Brüder wie
David.
Stattdessen steht die Ehe seiner Eltern auf der Kippe, sodass Danny seinen Vater immer häufiger auf dem Sofa schlafend antrifft. Als eines Morgens beide verschlafen und Danny zur Schule hetzen
muss, kommt er durch einen Rollstuhlfahrer schwer zu Fall. Damit es dramatischer klingt, macht er in der Schule einen Autounfall mit Fahrerflucht daraus, woraufhin seine Klassenkameraden und kurz
darauf auch andere Schüler sich zum Vandalismus aufgerufen fühlen. Als der Direktor Danny hierfür verantwortlich macht, erfindet dieser eine Mobbinggeschichte. Weil er dem Direktor keine Namen
nennen will, suspendiert ihn dieser vom Unterricht und fordert ihn auf, seine Eltern anzurufen. Danny ruft stattdessen Nicos Mutter an, die ihn mit einem filmreifen Auftritt raushaut, obwohl sie
ahnt, dass an der Geschichte nichts dran ist.
Dann beginnen die großen Ferien. Doch für Danny ist das kein Grund zur Freude, bekommt er doch von seiner Mutter einer Liste mit Erledigungen in die Hand gedrückt, um die er nicht umhin kommt,
für die er aber immerhin eine – niedrige – Bezahlung aushandelt. In der übrigen Zeit beschäftigt er sich mit Muskelaufbautraining auf dem Spielplatz vor dem Haus und freundet sich ein wenig mit
Hubert an.
Durch das Zusammentreffen mit Hubert fallen Danny seine Schulden bei der Caféeigentümerin wieder ein. Da er auf der Suche nach einem Ferienjob oder einer anderen Einkommensquelle ist, geht er sie
bezahlen, in der Hoffnung, dort in der Folge arbeiten zu dürfen. Zwar kann ihn die Eigentümerin nicht regelmäßig beschäftigen, doch sie bietet ihm an, ab und zu gegen Bezahlung im Café
mitzuarbeiten.
Als er nach Hause kommt, trifft er auf seine Mutter, die ihm mitteilt, sie müsse ihre Beziehung klären und werde ihn, um dafür die nötige Ruhe zu haben, zu ihrer Schwester Katrien bringen, wo er
eine Woche bleiben werde. Diese wohnt mit Mann und Sohn in einem eigenen Haus, was Danny sehr beeindruckt. Mit seinem Cousin Jordey versteht er sich einigermaßen, aber vor allem gefällt ihm, dass
er nach solchen Besuchen dessen kaum getragene, abgelegte Kleider geschenkt bekommt. Als er nachts nicht schlafen kann, wird er Zeuge eines Ehestreits zwischen seinem Onkel und seiner Tante, der
damit endet, dass sein Onkel seine Tante schlägt. Dieses Wissen nutzt Danny als Druckmittel, um seinen Onkel dazu zu bringen, ihn zum Zahnarzt zu bringen und dort auch die Rechnung zu bezahlen.
Für die Zukunft hält er sich noch einen Gefallen offen. Der Zahnarzt empfiehlt Danny, der wegen seiner schlechten Zähne einen Komplex hat, eine elektrische Zahnbürste zu kaufen. Jetzt weiß
dieser, worauf er sparen will.
Wieder zu Hause muss Danny feststellen, dass es seinem Vater, der vorher bereits völlig antriebslos schien, noch schlechter geht, doch er denkt sich nichts dabei, sortiert fröhlich die geerbten
Klamotten und bringt den Rest zum Altkleidercontainer im Hof. Dort trifft er auf ein Mädchen, dass Krähen füttert. Sie ist neu eingezogen und möchte gerne alle Kinder im Hochhaus kennenlernen.
Danny, der den Entschluss gefasst hat, mit Botengängen für die vermögenderen älteren Nachbarn ein Zubrot zu verdienen, sieht hierin die Gelegenheit, die Wohnungen auszuspitzeln und schlägt vor,
im Haus „Tauschen“ zu spielen. Mit einem Apfel und zwei Eiern beginnen sie ihre Runde und lernen auf diese Weise die verschiedensten Nachbarn kennen, hören sich die wildesten Geschichten an und
ertauschen sich die merkwürdigsten Gegenstände. Im Erdgeschoss werden sie kurzerhand von der dortigen Mieterin als Aufpasser für ihren schwerstbehinderten Sohn abkommandiert, während sie zur
Apotheke geht.
Während eines seiner Botengänge trifft Danny auf der Straße seinen Vater. Er beobachtet, wie er in ein Gebäude hineingeht und wieder herauskommt, bevor er ihn anspricht. Es stellt sich heraus,
dass sein Vater beim Arbeitsamt war, weil er seinen Job verloren hat. Auf dem Heimweg finden sie einen Hundewelpen, den Danny mit nach Hause nimmt, um ihn Frau Mint zu schenken, doch Hubert, der
alleine zu Hause ist, lehnt ihn ab. Als Danny ihn daraufhin in die Zoohandlung von Nicos Eltern bringt, lädt ihn dort dessen Mutter ein, am folgenden Wochenende, wenn ihre Männer auf
Männerwochenende sind, einmal bei ihr vorbeizuschauen. Doch anstatt eines Stelldicheins mit Nicos Mutter geht Danny auf die Einladung Nicos ein, zusammen mit seinem Vater mitzukommen.
Zu Dannys festen Arbeitgebern gehört ein älterer Herr, René, der behauptet, im Krieg im Widerstand und später im Arbeitslager gewesen zu sein. Die beiden freunden sich ein wenig an. René erzählt
ihm über den Krieg und bringt ihn zum Nachdenken über moralische Fragen. Als er eines Tages ins Krankenhaus kommt, gibt er Danny seinen Wohnungsschlüssel und bittet ihn, einige Bücher aus seiner
Wohnung zu sich zu nehmen, damit seine Kinder sie nicht finden. Außerdem passt Danny regelmäßig auf den behinderten Sohn der Nachbarin aus dem Erdgeschoss auf, der ebenfalls Danny heißt.
Das Männerwochenende entpuppt sich als furchtbar langweilig. Jagen scheint nicht so spannend zu sein, wie Danny es sich vorgestellt hat. Die meiste Zeit verbringen sie zu viert schweigend auf
einem Hochsitz. Abends verschwindet sein Vater aus dem Zelt unter dem Vorwand, auf die Toilette zu müssen. Als er nicht zurückkommt, wird Danny unruhig und zieht mit Taschenlampe aus, um ihn im
stockfinsteren Wald zu suchen. Als er plötzlich einen Schuss hört, befürchtet er, zu spät zu kommen, doch als er ihm folgt, findet er seinen Vater, dessen Fuß in eine Falle getreten ist, aus der
er sich nicht selbst befreien kann. Dieser behauptet, dass Gewehr von Nicos Vater nur zur Verteidigung gegen wilde Tiere mitgenommen zu haben. Um ihn aufzumuntern, erzählt ihm Danny auf dem Weg
ins Krankenhaus, er habe eine neue Stelle für ihn gefunden mit Hilfe seines Onkels. Wieder zu Hause scheinen die Zwistigkeiten zwischen seinen Eltern wie weggeblasen. Neben all den älteren Leuten
im Haus, für die Danny Erledigungen macht, kümmert er sich jetzt auch um seinen fußkranken Vater.
Das Krähenmädchen kommt sich verabschieden, weil ihre Mutter wieder zu ihrem Vater zurückzieht. Unter Tränen überreicht sie Danny ihren Schatz, verschiedenste glitzernde Gegenstände, die „ihre“
Krähen ihr gebracht haben. Das bringt Danny auf eine Idee. Er klaut vor einer Apotheke einen Rollstuhl, um mit dem anderen Danny einen Ausflug machen zu können. Gemeinsam geben sie den Krähen
ihre Geschenke zurück.
Wieder zu Hause, gibt Danny seiner Neugier nach und sieht in die Bücher, die er aus Renés Wohnung geholt hat. Er findet eine Menge Geldscheine und den Beweis, dass René alle Geschichten, die er
ihm erzählt hat, erfunden haben muss. Tatsächlich war er nicht im Widerstand, sondern aktiver Anhänger des Führers.
Beurteilung:
Vraag het aan de bliksem ist ein kurzweiliger Coming-of-Age-Roman, der sich dadurch, dass der Protagonist zwar erst vierzehn ist, die meisten Personen, mit denen er interagiert, jedoch
Erwachsene sind und er auch in erster Linie die Erwachsenenwelt beobachtet und reflektiert, sowohl für jugendliche als auch für erwachsene Leser eignet. Er wird aus der Ich-Perspektive des
Protagonisten chronologisch erzählt. Anfangs studiert dieser seine Umwelt einzig deswegen so aufmerksam, um die Schwächen anderer zu seinen Gunsten ausnutzen zu können, doch im weiteren Verlauf
der Geschichte erkennt er, dass kein Mensch eine Insel ist und dass es selbst ihm, dem konsequenten Einzelgänger, besser geht, wenn er sich mit Menschen umgibt. So wird aus einem altklugen
Besserwisser, der alles mit sich selbst ausmacht und dessen für Erwachsene durchschaubare Winkelzüge für den Leser sehr unterhaltsam sind, ein mitdenkender und mitfühlender Mensch.
Der Autorin gelingt es, diese Entwicklung vom altklugen, relativ rücksichtslosen Ekelpaket wertungsfrei und auf eine sehr humorvolle Weise zu erzählen. Weder bemüht sie sich, ihre Hauptfigur
sympathisch zu machen, noch macht sie aus ihr eine Karikatur. Die meisten anderen Figuren werden zwar nur skizziert, sind aber ebenfalls sehr glaubhaft. Aus all den Puzzlestückchen entsteht ein
vollständiges Bild eines Ehepaars mit Kind, dessen Lebensträume sich nicht haben umsetzen lassen und das deshalb mit sich hadert. Statt sich ein Haus mit Garten leisten zu können, haben sie es
nie geschafft, die Wohnblockwohnung in einem Viertel, dessen Bewohner immer ärmer werden, zu verlassen. Anfangs äußert sich der Protagonist sehr kritisch über seine Eltern, sodass der Leser das
Gefühl bekommt, die Eltern vernachlässigten den Sohn, doch mit der Zeit erkennt er, dass es sich vor allem um ein Missverständnis zwischen beiden Seiten handelt, für das es eine Lösung gibt.
Einzig die Beziehung zu seiner Mutter, mit der der Sohn nicht viel anfangen kann, scheint nachhaltig belastet, doch auch das in einem realistischen, nicht überzeichneten Maße.
Durch die Ich-Perspektive kann der Leser den Gedankengängen des Protagonisten folgen, lernt ihn kennen und besser verstehen. Hier entfaltet er auch seine gesamte kluge Lebensphilosophie, die mal
von recht erwachsener Einsicht, mal von kindlicher Fehlinterpretation oder Wunschdenken zeugt. Er ist ein humorvoller Erzähler, dem man nicht so ganz vertrauen kann. Zwar steht er im Allgemeinen
zu seinen Lügen und doch – oder gerade dadurch – hat der Leser manchmal das Gefühl, dass er jenseits davon nicht immer ganz ehrlich in seiner Erzählung ist.
Vraag het aan de bliksem ist ein sehr lesenswerter, kurzweiliger Roman über den Prozess des Erwachsenwerdens.
Die Autorin:
Carmien Michels (*1990) ist eine belgische Schriftstellerin und sehr erfolgreiche Slam-Poetry-Künstlerin. Sie studierte angewandte Sprachkunst am Königlichen Konservatorium Antwerpen. Ihr erster
Roman, We zijn water, erschien 2013 bei De Bezige Bij. Er stand auf der Shortlist für den Debuutprijs und die Bronzen Boekenuil. Vraag het aan de bliksem ist ihr zweiter Roman.
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